Die SI PRO Mit­arbeiterin Angelika Krause hilft den Plastikmüll im Ozean zu verstehen. Sie übernimmt dafür Tauch­expedi­tionen im Ozean.

Angelika, wie begann Dein Engagement?

Ich bin mit dem Meer vor meiner Haustür an der schleswig-holsteinischen Nordsee-Küste aufgewachsen.  

Als ich in meinen Zwanzigern mit dem Tauchen begann, war es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis ich mich, wie jeder Taucher, mit dem Thema Plastikmüll im Meer konfrontiert sah. Es entwickelte sich ein Interesse mehr über dieses Thema zu erfahren und mich auch im Rahmen des Tauchens zu engagieren.  

Was sind deine bisherigen Erfahrungen?

In den 1980er Jahren war in der BRD das Thema Plastikmüll gegenwärtiger als heute. Damals kamen Jute-Taschen mit dem Slogan „Jute statt Plastik“ auf den Markt. Mit der Wiedervereinigung ist das Thema Plastikmüll in den Hintergrund gerückt. Heute versuchen wir unser Versäumnis als Gesellschaft aufzuarbeiten. Mit dem rapiden Wachstum der Industrie hinken wir dieser Aufgabe leider hinterher. 

Die Europäische Union hat einige Richtlinien zu dem Thema Plastikmüll erlassen, welche in nationales Gesetz übergangen sind. Wir in Deutschland haben zum Beispiel ein Duales System, welches im europäischen Vergleich gar nicht so gut abschneidet. Es steckt in der Tat eine große Lobby hinter dem Müll in Deutschland. So wissen nur wenige, dass wir zum Beispiel unseren Müll nach Indonesien verkaufen. Dennoch wundern wir uns als Touristen oder Beobachter in einem Land wie Indonesien, dass die Müllberge sich stapeln und ins Meer gelangen. 

Es gibt aber auch sehr positive Entwicklungen: 2008 wohnte ich in Guatemala, in Mittelamerika am Pazifik gelegen. Auch nutzte ich die Chance das Land zu bereisen. Unter anderem wurde mir der beeindruckende Markt in Chichicastenango direkt am See Lago de Atitlán gelegen zu Teil. Wie Reisende wissen, wird in Latein Amerika noch sehr viel mit Einmal-Plastik gearbeitet. 2016 schlossen sich alle Gemeinden um Lago de Atitlán zusammen, sammelten jedes Plastikstück ein, und sprachen ein Nutzungs-Verbot von Einmal-Plastik aus. Genutzt werden stattdessen natürliche Verpackungen wie z.B. Bananenblätter. Hier wurde das Problem des Plastikmülls verstanden, nach einer adäquaten lokal passenden Lösung gesucht und diese umgesetzt. 

Welche Erfahrungen hast Du in deinem Bildungsurlaub sammeln können?

Aktuell essen wir circa die Plastikmenge einer Kreditkarte pro Woche. Dieses nehmen wir als Mikroplastik über unsere Nahrung auf - ob wir wollen oder nicht. Jetzt könnten wir sagen, dass Fisch einfach vom Speiseplan gestrichen wird, aber das wäre eine Milchmädchenrechnung. 

Es ist spannend zu sehen, was für Unterschiede es vom italienischen zum deutschen Mülltrennungssystem gibt. – Der Bildungsurlaub fand auf Elba statt. - So trennen die Italiener viel genauer und haben auch eine Tonne für „ich bin mir nicht sicher“. Unser deutscher schwarzer Sack müsste dem gleichgestellt sein, so ist es aber nicht. Ebenso schmeißen wir unseren Pizza-Karton, an dem noch Käsereste kleben, in den Papiermüll, obwohl in unserem Dualen-System alles fein säuberlich getrennt werden müsste, und somit der schwarze Sack die richtige Entsorgung wäre. Liebe:r Leser:in, Sie sehen, der Teufel liegt im Detail.  

Wir schauen oft auf die privaten Haushalte und wissen sehr wenig über die Entsorgungsstrategien in der Wirtschaft und Industrie. Es wird mehr Transparenz benötigt. Genauso sollte sich jeder Einzelne mit der Müllentsorgung im privaten Umfeld beschäftigen, denn nur weil etwas richtig für den einen ist, heißt es nicht, dass es richtig für den anderen ist, der vielleicht 600 km entfernt wohnt oder aber auch nur im nächsten Landkreis. Die Müllentsorgung wird auf kommunaler Ebene politisiert. 

Die wichtigste Erkenntnis aber ist, dass unsere Politik in den 1980ern einen guten Ansatz vorlegte, welcher mühselig war und somit durch vermeintlich „wichtigere“ politische Themen oder Ereignisse immer weiter in den Hintergrund rückte. Heute hinken wir mindestens 30 Jahre hinterher und versuchen mit Schnellschüssen dieses Versäumnis einzudämmen. 

Wie geht es für dich weiter?

Ich werde mich weiterhin an Projekten weltweit beteiligen, die zum einen zum Verständnis beitragen und zum anderen aktive Mitarbeit erfordern. Jedermann kann sich einbringen, ob Taucher oder nicht, indem zum Beispiel der Main oder der Zürichsee betaucht und gesäubert wird. Wer Interesse an den sogenannten Clean-Up Dives hat, kann dank des Internets auch fündig werden, denn viele Events finden regelmäßig statt. 

Ein größeres Projekt, welches mich interessiert, ist das Einsammeln von Geister-Netzen in der Nordsee. Die Fischerei-Industrie und die EU haben sich darauf geeinigt, dass das Kappen der Fangnetze sicherheitsrelevant für die Besatzung sein kann. Sollte ein solcher Fall eintreten, ist die Besatzung zur Meldung an die Behörden verpflichtet. Diese Geister-Netze werden von Teams freiwilliger Taucher geborgen.  

Welche Erkenntnisse hast Du für Deine Beratungs­projekte gewonnen?

Viele unserer SI PRO Kunden sind in der Chemie- bzw. Lebensmittel-Industrie tätig. Es ist sicherlich nicht zu vermeiden, dass Plastikmüll entsteht, sowohl in der Industrie als auch im Privaten – aber es gibt dennoch Möglichkeiten diesen zu verringern. Meine Aufgabe ist es nicht zu missionieren, sondern offen mit dem Thema Plastikmüll umzugehen. In diesem Rahmen kann ich sagen, dass es möglich ist Plastikmüll zu verringern ohne selbst Geld investieren zu müssen. Es gibt bereits etliche Alternativen auf dem Markt, die leider nicht öffentlich genug kommuniziert werden. Eines dieser Beispiele ist, dass technische Geräte nicht mehr in Styropor verpackt werden, sondern in dem Pilz „Myzelium“ . Ein Vorteil des Myzelium ist, dass die statische Aufladung wie es beim Styropor der Fall ist, komplett wegfällt. Außerdem ist diese Verpackung 100%-ig biologisch abbaubar. Auch bedarf es kein Wasser, Licht oder Chemikalien, um diesen Verpackungsstoff herzustellen.  

Einige meiner Kunden haben das Budget selbst nach Alternativen zu Plastik zu forschen, weitere Kunden sind anders aufgestellt, und setzen andere Prioritäten. Beides ist absolut akzeptabel – und hier kommt das berühmte aber: Jeder kann sich nach bereits existierenden Alternativen erkundigen, selbst einsetzten oder es sogar vertraglich mit dem Lieferanten festhalten nur nachhaltige Verpackungen zu nutzen. 

Ich denke, es gibt noch viel Luft nach oben. 

Empfohlene Links von Angelika